Forschungsprojekt ECOMOD

Referenzgeschäftsprozesse und Strategien im E-Commerce

Forschungsgruppe Unternehmensmodellierung
08.07.2021

Referenzgeschäftsprozesse und Strategien im E-CommerceThis page in English  

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Forschungsansatz und Hinweise zur Nutzung

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt ECOMOD zielt darauf, insb. kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei der Entwicklung erfolgreicher E-Commerce Strategien zu unterstützen, um die Möglichkeiten des Internet auszuschöpfen und gleichzeitig Hinweise für die organisationale Umsetzung zu geben. Für diesen Zweck wird MEMO - eine Methode zur multi-perspektivischen Unternehmensmodellierung - angepasst und weiter entwickelt. Die resultierende Methode  (E-MEMO) besteht aus zwei zentralen Vorgehensmodellen, welche die Entwicklung von Infrastrukturen im E-Commerce unterstützen und anleiten.
Ein Evolutionsstufenmodell für E-Commerce
Das entwickelte Evolutionsstufenmodell zeigt langfristige Entwicklungspfade im E-Commerce auf. Es besteht aus vier prototypischen Stufen. In der ersten Stufe, Web-Präsenz, nutzt ein Unternehmen das Internet nur, um sich auf einer Webseite zu präsentieren. Die Umsetzung der nachfolgenden Stufe, Transaktionsanbahnung, erfordert die Präsentation von Produkten sowie evtl. Liefer- und Zahlungsbedingungen. Im Beschaffungsbereich kann die Transaktionsanbahnung durch die Nutzung von Lieferanten-Webseiten und elektronischen Marktplätzen unterstützt werden.

Die Durchführung von Transaktionen beinhaltet den gesamten Prozess von der Transaktionsanbahnung bis zum Kundendienst nach getätigtem Kauf. Dabei kann der Automatisierungsgrad unterschiedlich sein. Jedoch sollten Medienbrüche im Prozess der Auftragsbearbeitung vermieden werden. Ähnlich der vorherigen Evolutionsstufe, bezieht sich diese sowohl auf den Beschaffungsbereich als auch auf Verkauf/Vertrieb.

Die höchste prototypische Evolutionsstufe, unternehmensübergreifende Wertkette, entspricht der Vision der 'Voluntary Interindustry Commerce Standards Association' zur kollaborativen Planung, Prognose und Lagerauffüllung entlang der Wertschöpfungskette ('Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment'- CPFR, siehe [VICS98]). Dies erfordert nicht nur die Entwicklung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse, welche Prozesse und korrespondierende Informationssysteme von Käufern und Verkäufern integrieren. Zusätzlich ist die Synchronisation der Planung notwendig, um die Gesamtprozesskosten zu minimieren. Wenn bspw. ein großes Logistikunternehmen einen Teil der benötigten LKW ein Jahr im voraus bestellt, kann der LKW-Hersteller seine Kosten durch geringeres Risiko senken. Ähnliches gilt für die Lieferanten des LKW-Herstellers.
Ein Vorgehensmodell für die Umsetzung einzelner E-Commerce Initiativen
Das eher langfristig ausgerichtet Evolutionsstufenmodell wird ergänzt durch ein Vorgehensmodell, welches die Durchführung konkreter E-Commerce-Projekte anleitet und unterstützt. Es besteht aus fünf zentralen Teilprozessen oder Aktivitäten:
  • Analyse der strategischen Optionen (siehe Arbeitsbericht Nr. 41),
  • Entwurf/Konfiguration von Strategien im E-Commerce,
  • Analyse der Optionen zur organisationalen Umsetzung,
  • Auswahl/Spezifikation von Geschäftsprozessen und
  • Implementierung von Geschäftsprozessen.
Jeder dieser Schritte wird anhand folgender Struktur beschrieben: Ziele, unterstützende Konzepte/Artefakte, Teilnehmer und Dokumentation.

Das Entscheidungsnetzwerk für Strategien, welches auf diesen Webseiten präsentiert wird, unterstützt die Auswahl von Strategien für E-Commerce und schließt die Lücke zwischen Unternehmensstrategien und deren operationaler Umsetzung. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, beachten wir nur einen eingeschränkten Bereich strategischer Optionen (siehe unten), welche so weit konkretisiert und verfeinert werden, dass sie die nachfolgende Auswahl von Geschäftsprozessen vorbereiten. Die Referenzgeschäftsprozessbibliothek auf dieser Webseite unterstützt den vierten Schritt im Vorgehensmodell (d.h. die Auswahl und Spezifikation von Geschäftsprozessen). Detaillierte Prozessbeschreibungen geben zentrale Hinweise für die Implementierung der Prozesse.
Fokus betrachteter Strategien und Prozesse in ECOMOD
Es gibt eine umfangreiche Anzahl möglicher strategischer und operationaler Szenarien, die E-Commerce in der ein oder anderen Form nutzen. Daher ist es aus Machbarkeitsgründen notwendig, nur auf einen Teilbereich zu fokussieren. Da mit E-MEMO eine generische Methode geschaffen werden soll, fokussieren wir auf generische Muster von Strategien und deren organisationsbezogene Umsetzung. Damit werden bspw. solche Strategien ausgeschlossen, die auf Besonderheiten spezifischer Kundengruppen oder Produkte gründen.
In ECOMOD werden Referenzmodelle von Geschäftsprozessen als grundlegender Ansatz zur Unterstützung der Umsetzung von Unternehmensstrategien verwendet. Daher fokussieren wir auf solche  Strategien, die durch den (Neu-)Entwurf von Geschäftsprozessen implementiert werden. Zusätzlich schlagen wir einen Fokus vor, der mit Hilfe von drei Dimensionen beschrieben wird (siehe nachfolgende Abbildung): generische Strategie, Evolutionsstufe und interne Wertkette.
In seinen wegweisenden Arbeiten zur strategischen Planung unterscheidet Porter drei generische Strategien: Fokus, Kostenführer und Produktführer (Differenzierung) [Port85]. In dieser Dimension fokussiert ECOMOD auf  Kostenführer. Dafür sprechen zwei Gründe: (1) Wir nehmen an, dass insb. für KMU die Möglichkeiten der Kostensenkung durch die Nutzung von Internettechnologien zentral ist, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erlangen. (2) Wir gehen davon aus, dass diese generische Strategie besser geeignet ist, um sowohl allgemeine Muster für Strategien im E-commerce als auch für die zugehörigen Geschäftsprozesse zu entdecken.
Bzgl. der Dimension 'Evolutionsstufe' fokussieren wir auf die  Durchführung von Transaktionen. Diese Entscheidung basiert auf der Annahme, dass diese Stufe auch noch in den kommenden Jahren von zentraler Relevanz für die meisten KMU sein wird. Trotz seines hohen Potentials wird die unternehmensübergreifende Wertkette für viele KMU heutzutage noch eine zu große Herausforderung darstellen. Als dritte Dimension beziehen wir uns auf die interne Wertschöpfungskette. Einige Aspekte im E-Commerce betreffen möglicherweise die gesamte Wertkette eines Unternehmens. Wir fokussieren auf  Beschaffung und Verkauf/Vertrieb. Es ist jedoch wichtig festzustellen, dass wir hier eine Konzeptualisierung vorschlagen die von der üblichen Wertkette Porters abweicht: Beschaffung beinhaltet hierbei Aspekte der Eingangslogistik und Verkauf/Vertrieb beinhaltet Ausgangslogistik. Insbesonder wegen der hohen Kontingenz dieser Aktivität betrachtetn wir 'Operations', d.h. die eigentliche Produktion nicht näher.
Integration von Strategien und Geschäftsprozessen
Die entwickelten Konzepte erlauben nicht nur die schrittweise Ableitung und Verfeinerung von Unternehmensstrategien. Zusätzlich wird eine enge Integration der strategischen und operationalen Ebene ermöglicht. In ECOMOD wird die operationale Ebene hauptsächlich über Geschäftsprozesse spezifiziert. Daher ist es notwendig, Strategiemodelle mit Geschäftsprozessmodellen zu integrieren.
Die Integration zweier Systeme - oder zweier Diskurswelten - setzt die Existenz  gemeinsamer Begriffe voraus. Je spezifischer diese Begriffe sind, oder in anderen Worten: je mehr Semantik sie beinhalten, desto höher ist der Integrationsgrad. In diesem Kontext verstehen wir Semantik als Informationsgehalt, d.h. je mehr Interpretationsmöglichkeiten für einen Ausdruck ausgeschlossen werden können, desto mehr Semantik hat er. Wenn bspw. eine bestimmte Strategie den Begriff 'Kostensenkung' enthält oder den Hinweis 'deutliche Kostensenkungen sind zwingend erforderlich', bleibt noch sehr viel Raum für mögliche Interpretationen bzgl. der Realisierung auf operationaler Ebene. Dies wäre änders mit Ausdrücken wie 'automatisierte Vertragsschließung in der Auftragsbearbeitung'. Die Grenze zwischen der strategischen und operationalen Ebene ist jedoch nicht statisch festgelegt. Die strategische Perspektive zielt auf Konzepte, die als grundlegend für die erfolgreiche Entwicklung eines Unternehmens eingestuft werden. Gleichzeitig sollten Konzepte oder Hinweise nicht der strategischen Ebene zugeordnet werden, wenn mit Änderungen zu rechnen ist, da sie durch ähnliche oder bessere Alternativen ersetzt werden können. Natürlich ist die zu wählende Abstraktionsebene von dem betrachteten Zeitrahmen abhängig. In ECOMOD ist die operationale Ebene grundlegend durch eine Menge von Geschäftsprozessmodellen mit Referenzcharakter definiert.
Daher sollte der Strategieentwurf letztlich auf Ziele, Hinweise und Aspekte verweisen, die direkt zur Beschreibung - und schließlich Auswahl - zugehöriger Geschäftsprozessmodelle verwendet werden können (siehe nachfolgende Abbildung).